Aufmarsch
Zehn Mann in der Einkaufszone
Stören am Morgen die Ruh'.
Sie keifen in Mikrofone
Und kaum jemand hört ihnen zu.
Sie singen die alten Lieder,
Die Fahne ist schwarz-weiß-rot,
Ihr Ansinnen national-bieder:
Sie singen vom Heldentod.
Sie nennen sich Demokraten
Und berufen sich auf ihren Christ,
Sind aber wie Römersoldaten
Gegen alles, was unrömisch ist.
Prachtexemplare, Eliten
Krummbucklig, fettiges Haar.
Unreflektiert tumbe Riten,
Im Chor papageites Hurra.
Der Traum vom "Land" und vom "Volke",
Wo Freiheit und Reinheit uns blüht,
Nichts als eine künstliche Wolke,
Hinter der man den Hohlraum nicht sieht.
Leer ist es in diesen Köpfen!
Nicht dumm, aber ohne Substanz!
Und kann man aus sich selbst nicht schöpfen,
Tröstet völkischer Firlefanz.
Nichts gelernt, nichts geworden, nur wollen,
Wähnt Fremde voll Spott und mit Hohn
Feindbilder, die von Einfachheit zollen -
Hat man sonst nichts, bleibt immer Nation!
All diese Vaterlandsliebe
Ein Vorwand an Fähigkeit statt.
Will stehlen, schimpft andere Diebe
Es neidet, wer selbst nichts hat
Wie einfach, nicht selbst zu denken,
Wie einfach, ein Rädchen zu sein,
Wie einfach sich abzulenken,
Endlich mal nicht mehr klein.
Dann wickeln sie ihre Fahnen
Ein und zieh'n schließlich ab;
Zurück in alltägliche Bahnen,
Zurück in ihr Spießbürgergrab.
Zehn Mann in der Einkaufszone
Und endlich geben sie Ruh'!
Beschämt sind die Mikrofone,
Denn kaum jemand hört ihnen zu.
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Nur Ahmed beim Italiener
Hat das alles erschreckt,
Weil ihm nach neun Stunden Fließband
Der Kaffee nicht mehr schmeckt...