Das Zigeunerschnitzel - ein Gerichtsurteil
Gute Neuigkeiten aus Hannover: Das Zigeunerschnitzel hat dort ausgedient, ist gegessen, wird hinuntergespült, verdaut, verstaut, abgebaut. Ab sofort heisst es „Balkanschnitzel“ oder „Schnitzel Budapester Art“. Warum auch nicht.
Und vor allem: Warum erst jetzt?
Die Antwort muss man wohl kulinarisch-historisch suchen. Sich also im Sprachsüppchen die Nudeln herausschmecken, Wortsommelier sein.
Vom Gegenstand her haben wir es mit einem schon lang beliebten Fleischgericht zu tun, übrigens deutlich vor der verordneten Fastfoodkultur des Chefkoches aller Herrenküchen etabliert, das sich eben durch eine fremde Note vom urteutonisch mampfig-pampfigen Schweinsdurcheinander mit Kohl abhebt.
Nationalisten - und mit eben solchen hatte man es ja damals an den höfischen K.u.K. Herden dies- und jenseits des Weißwurstäquators zu tun - würzten ihre plattgekloppten Kalbfleischlappen irgendwann nicht nur mit dem Feuer des Ostens, sondern gaben der ganzen Kreation auch noch ein sprachliches G‘schmäckle: „Zigeunerschnitzel“
Hmm, aufregend! Undeutsch, gefährlich, scharf! Wie man sich innerhalb des eigenen Untertassenrandes eben einen Zigeuner vorstellt. Irgendwie verrucht, exotisch anders halt. Immerrr scheeen mit Jeije!
Dabei berief man sich auf eine uralte Tradition, nämlich die lästigen Fremdanteile des großen Eintopfes Bevölkerung pauschal derogativ zu garnieren, eine Hierarchie zu schaffen. Man selbst natürlich die Kirsche auf dem Kuchen und nicht die Krume an der Kachel.
Genau das steckt im „Zigeunerschnitzel“ - eine ebenso wie im „Negerkuss“ fast schon zoologische Nonchalance, denn Etikette und Anstand kennt der zivilisierte Zentraleuropäer wenn‘s hochkocht nur bei seinesgleichen. Und was in der Politik nicht passiert, ist auf dem Teller erst recht nicht zu erwarten. Da ist man kulin-arisch.
Und wer sich jetzt abgebrüht genug und mal wieder sprachlich bevormundet fühlt - freilich ohne irgendeine diesbezügliche Souveränität jemals erlangt zu haben - und deswegen sein kleines bisschen Identitätseinheitsbrei reduziert wähnend empört ruft: „Ca, je n’avais pas commandé!“, dem sei folgendes Gedankenspiel wärmstens als Dessert empfohlen:
Würde man in Wien auf dem Graben einen Habsburger Royal verkaufen können?
Oder wie wäre es mit einem Nazispieß am Trafalgar Square? So als typisch deutscher Imbiss? Ja klar, mit tüchtig brauner Soße an zuverlässigem Sauerkraut in einer schwarzweißroten Kuckucksuhr serviert? Zu essen mit erhobenem rechten Arm. Würde uns das schmecken?
Da haben wir den Salat. Können wir froh sein, dass viele der von uns heißgeliebten Fremdgerichte unter deren hausgemachten Namen den Weg in unseren Magen finden.
Hätten Deutsche selbige ersinnen müssen, wir würden heute sicher höchstoffiziell à la carte Schlitzaugenrouladen und Kanakentaschen essen. Was dem Volksmund so schmeckt.
Jedoch - folgendes stößt sauer auf:
Wenn Zigeuner ein abwertender Begriff ist, wissen jetzt auch die Budapester Bescheid, was die Hannoveraner über sie denken.
Es ist angerichtet.