Auf einem Berg im Schatten eines Baumes stand ein Mann, seinen rechten Arm dem Tal entgegengestreckt. Aus seiner rechten Faust hing eine goldene Schnur herab. Er hatte die Schnur einst von einem weisen Mann bekommen, als Lohn für seine guten Taten. „Diese Schnur soll dir den rechten Weg durch dein Leben zeigen“, hatte er gesagt. „Wohin sie weist, dorthin soll auch dich der Wind wehen.“
Der Mann wartete. Aber so lange er dort auch stand, es tat sich kein Lüftchen auf, welches seine grauen Kleider bewegte.
Am Morgen des zweiten Tages harrte der Mann noch immer an jenem Ort, als sich eine Krähe in den Ästen des Baumes niederließ.
Die Krähe sprach zu ihm: „Wer bist du, daß du so viel Zeit hast, sie hier nichtstuend zu verschwenden?“
Er aber sagte: „Ich warte auf den Wind, auf daß er mir den rechten Weg weise.“
Darauf lachte die Krähe und flog davon.
Und der Mann wartete.
Auch am dritten Tag war dort kein Wind, der ihm die Haare bewegte. Es kam nun ein Habicht herbeigeflogen, der sich auf den Baum setzte und sprach: „Was zögerst du? Es gibt nur zwei Wege, die du gehen kannst - nach Norden in die Wüste, oder nach Süden in die Stadt. Wähle den Weg, der dir am besten gefällt.“
Aber der Mann sagte: „Die Schnur soll mir den rechten Weg weisen.“
Darauf sagte der Habicht: „Ist der rechte Weg auch dein Weg?“, und flog weg.
Und der Mann begann zu zweifeln. Doch der Weise hatte einst gesagt: „Zweifle nicht, denn Zweifel sind die Geschwister der Furcht.“
Der Mann wollte sich aber nicht fürchten und wartete.
Als ihm am vierten Tage immer noch kein Wind den Staub aus dem Gesicht blies, setzte sich eine Eule auf den Baum. Die Eule sah sich den Mann lange an, wie er dort stand mit der Schnur in der Hand. Sie sah einen jungen Mann mit grauem Haar und grauem Bart, gekleidet in Lumpen.
Schließlich fragte sie ihn: „Bist du du?“
Als sie merkte, daß der Mann sie nicht verstand, flog sie wieder davon.
Und der Mann wartete.
Am fünften Tage kam aus dem Süden der Wind. Die Schnur wies nach Norden und der Mann folgte ihr in die Wüste. Drei Tage lang irrte er umher, ohne je ein Ziel zu erreichen.
Als er am achten Tage der Ohnmacht nahe im heißen Wüstensand lag, sah er am Firmament weiße Vögel, die nach Süden zogen.
Jetzt erkannte er, was die Eule gemeint hatte:
„War er er?“
Der Mann weinte.